Kärnten. Wien. Los Angeles. Berlin.
Niko Rittenau, Koch und Ernährungsberater, hat trotz seines jungen Alters schon viel erlebt. Für all jene, die er mit seinem Vortrag „Clean Eating – Neues Verständnis veganer Ernährung“ auf der veggie & frei von im vergangenen November noch nicht begeistert hat, gibt’s jetzt die Chance auf ein erstes Kennenlernen!
Wir sprachen mit dem gebürtigen Österreicher darüber, warum „vegan“ und „nachhaltig“ nicht immer Hand in Hand gehen, wie seine fleischlos-leckeren Festtagsgerichte aussahen und warum Berlin die Veggie-Hauptstadt Europas ist.

Niko, du hast in deinem jungen Alter schon wirklich viel erlebt. Für unsere Leser, die dich noch nicht kennen: Was hat sich dazu bewegt, dich vegan zu ernähren und Ernährungsberater zu werden?

Die Beweggründe für eine vegane Ernährung waren für mich vielseitig. Als ich erfahren habe, welche Auswirkungen die Massenproduktion von tierischen Lebensmitteln auf Umwelt, Tiere und letztlich auch die Menschen hat, wollte ich nicht mehr Teil dessen sein und habe mit dem Veganismus einen Lebensentwurf gefunden, der meinen persönlichen Idealen sehr nahe kommt. Ich versuche aber nicht nur vegan zu leben, sondern auch generell nachhaltig. Als ich während meiner Jugend gemerkt habe, welchen Einfluss Ernährung auf Körper, Leistungsfähigkeit und Gesundheit hat, war relativ schnell klar, dass ich mein Wissen in diesem Bereich vertiefen möchte. So konnte ich mir und anderen zeigen, wie man den besten Weg in Sachen Gesundheit, Nachhaltigkeit und Ethik in der eigenen Ernährung finden kann. Deshalb habe ich 2013 mein Bachelorstudium in Ernährungsberatung begonnen und vertiefend noch weitere Fortbildungen – wie den ärztlichen geprüften Ernährungsberater mit Schwerpunkt auf vegane Ernährung oder den Gourmet Raw Food Chef – absolviert.

Das Thema „vegan“ bekommt immer mehr Anerkennung. Macht sich das bei deinen Supperclubs, Workshops und Vorträgen bemerkbar? Wenn ja, inwiefern?

Ich lebe seit 2013 in Deutschland und merke definitiv, wie das Interesse am Thema „vegan“ Jahr für Jahr steigt. Auch das Interesse an meinen Vorträgen und Events war von Beginn an sehr groß und hat mir nochmals deutlich gezeigt, wie groß das Bedürfnis nach einer gesunden und nachhaltigen Lebensweise in der Bevölkerung ist. „Die Welt“ hat im Januar diesen Jahres geschrieben: „Vegan ist das neue Bio“ und hat damit auf den starken Zuspruch in der Gesellschaft verwiesen, den die Biobewegung vor einigen Jahren hatte. Aber weder „Bio“ noch „vegan“ ist ein Trend im klassischen Sinne, sondern ein Wertewandel in unserer Gesellschaft hin zu mehr Bewusstsein und Nachhaltigkeit. Und im Gegensatz zu kurzlebigen Trends sehe ich hier eine langfristige Veränderung kommen. Das prophezeien auch Zukunftsforscher wie Hanni Rützler vom Zukunftsinstitut in Wien, die schon 2010 in ihrem Buch „Food Change“ geschrieben hat: „die Zukunft is(s)t vegetarisch.“ Anhand der Entwicklung seit 2010 würde sie heute wahrscheinlich schreiben, dass die Zukunft vegan ist. Dabei geht es gar nicht darum, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt immer komplett vegan leben muss. Aber eine drastische Reduktion des Konsums an tierischen Produkten ist der einzige Weg, wie wir als Welt existieren können. Läuft es so weiter wie bisher – vom Essen über viele weitere Industriezweige – zerstören wir uns selbst die Lebensgrundlage. Aber ich sehe ja überall auf der Welt, wie sich Menschen Gedanken machen und versuchen, Veränderungen anzustoßen. Und jeder von uns kann Teil dieser positiven Veränderung sein – einfach dadurch, wie wir leben, einkaufen und essen.

Gibt es deiner Meinung nach auch negative Aspekte in der veganen Community?

Der wichtigste Punkt ist es, dass die vegane Community nicht nur darauf achtet, dass Produkte frei von tierischen Bestandteilen sind, sondern auch, dass sie nachhaltig und fair produziert werden. Es bringt nichts, wenn ein Gericht zwar frei von tierischen Bestandteilen ist, aber die Zutaten vom anderen Ende der Welt kommen, konventionell in minderwertigen Böden angebaut und die Produzenten in der Wertschöpfungskette ausgenutzt wurden. So erhält man weder für die eigene Gesundheit, noch für die Gesundheit des Planeten ein wertvolles Produkt.

Welche Botschaft möchtest du als Ernährungsberater primär vermitteln?

Ich möchte aufzeigen, wie man sich lecker, aber auch gleichzeitig gesund und nachhaltig ernähren kann und welchen großen Einfluss unsere tägliche Nahrung auf uns und den Planeten hat. Wobei mein Ansatz in der Ernährungsberatung weit darüber hinausgeht, was wir zu uns nehmen. Denn das Thema der Gesundheit ist zu komplex, um es auf unser Essverhalten zu reduzieren. Ein ganzheitlicher Blick auf Gesundheit im Sinne einer Gesundheits- anstatt einer Ernährungspyramide ist auch das Thema meines ersten Buches, welches in 2017 erscheinen wird. Aber natürlich spielt essen auch in diesem Modell eine sehr entscheidende Rolle.

Du beschreibst Berlin als „Veggie-Hauptstadt“ Europas. Inwiefern zeigt sich das? (Vor allem auch im Vergleich zu deiner Heimatstadt Kärnten und deinem späteren Wohnort Wien?)

Berlin ist für mich definitiv die Veggie-Hauptstadt Europas, wobei Städte wie Wien und Barcelona auch mächtig Gas geben! Auch die Restaurantapp „HappyCow“ hat Berlin auf Platz eins der Top 5 veganen Städte der Welt gewählt – noch vor New York und Portland. In Berlin gibt es einfach alles, was man sich wünschen kann – von richtig guten veganen Restaurants (und jeder Menge Restaurants mit veganen Optionen) über viele vegane Supermärkte, Bekleidungs- und Schuhgeschäfte bis hin zu den zahlreichen veganen Events, Messen und Supper Clubs. Auch die generelle Akzeptanz für die vegane Idee in Berlin ist sehr groß. Das merke ich vor allem, wenn ich ab und zu zurück in meine Heimatstadt Klagenfurt in Kärnten komme. Dort tut sich zwar seit letztem Jahr auch immer mehr, aber das Angebot ist verhältnismäßig gering. In Wien, wo ich vor meinem Umzug nach Berlin gelebt habe, tut sich seit einiger Zeit unglaublich viel und ich freue mich jedes Mal, wenn mich meine Wege nach Wien zurückführen.

Du hast außerdem in Kalifornien eine Ausbildung zum Rawfood Chef absolviert. In Europa erhält man den Eindruck, dass die vegane Szene in Szenemetropolen der USA bereits stark etabliert ist. Wie hast du dies dort erlebt?

Ich habe im Mai 2014 eine Weiterbildung zum „Gourmet Raw Food Chef“ am Matthew Kenney Institut in Kalifornien absolviert, um noch mehr über gesunde und gleichzeitig schmackhafte Küche zu lernen. In Metropolen wie Los Angeles oder New York, aber auch in etwas kleineren Städten wie San Francisco oder Portland gibt es ein sehr vielfältiges veganes Angebot. Gerade in Los Angeles ist das Thema Gesundheit ja omnipräsent und so greifen auch Nicht-veganer dort sehr gerne zu pflanzlichen Gerichten und Green Juices.

Weihnachten liegt nur weniger Tage zurück. Dieses Fest assoziieren viele Menschen mit deftigen Braten. Wie sah dein persönliches, veganes Weihnachtsmenü aus?

Da ich in diesem Jahr über Weihnachten und Neujahr meine Ausbildung zum Yogalehrer absolviert habe, bin ich im Ashram nicht zum Kochen gekommen. Da die Küchencrew dort aber hervorragend vegan gekocht hat, musste ich mir um mein Essen zu Weihnachten keine Sorgen machen. Aber klar, klassische Weihnachtsgerichte sind sehr fleischlastig. Ein leichteres und sehr inspirierendes Weihnachtsmenü hat Lea Green auf ihrem Blog veggi.es veröffentlicht. Bei ihr gab es zur Vorspeise karamellisierten Radicchio mit Birnen und Zimtcreme, als Hauptspeise Pastinaken-Wirsing-Risotto mit gerösteten Haselnüssen und zum Dessert Avocado-Schokocreme mit Dattelkaramell. Bei so einem leckeren Menü würden bei mir keine Wünsche mehr offen bleiben.

Was sind deine Pläne fürs Jahr 2016?

2016 wird ein super Jahr voller Projekte werden. Im Frühjahr und Herbst werde ich auf sehr vielen Messen, Kongressen und Festivals Vorträge halten und gemeinsam mit meinem Team meinen Youtube Channel aufbauen, in dem wir viele spannende Videos rund um die Themen Ernährung und Gesundheit veröffentlichen werden. Außerdem startet ab April wieder meine Supper-Club-Reihe in Berlin, in der ich mit meinem Team vegane Pop-up Dinner veranstalte. Ab Mai starten dann auch mehrere 1-wöchige Ernährungs- und Yogaretreats mit mir und ich werde für einige Magazine und Blogs regelmäßig Kolumnen schreiben. Ab der zweiten Jahreshälfte widme ich mich dann verstärkt meinem ersten Buch, welches mein Verständnis von bedarfsgerechter pflanzlicher Ernährung und meine Vision von ganzheitlicher Gesundheitsberatung zum Thema haben wird. Alle Infos über meine kommenden Events und Auftritte gibt es auf meiner Facebookseite „Niko Rittenau“ oder über meinen Newsletter auf www.nikorittenau.com.

Und auch auf der veggie  & frei von 2016 wird Niko wieder mit von der Partie sein. Ein bisschen Zeit haben wir bis dahin ja noch, trotzdem freuen wir uns schon!