Wer sportlich unterwegs ist, der weiß: Die richtige Ernährung ist auf dem Weg zum sportlichen Erfolg mindestens genauso wichtig wie kontinuierliches Training. Wir haben mit Sebastian Joy, Geschäftsführer des Vegetarierbund Deutschland e.V., über eine vegane Lebensweise und sportliche Aktivität gesprochen.
Sebastian, der Frühling ist da – wer bis jetzt noch nicht mit dem wöchentlichen Sportprogramm losgelegt hat, der schnürt spätestens am Wochenende die Laufschuhe. Wie gehen eigentlich Sport und vegane Ernährung zusammen?
Ich selbst bin passionierter Läufer und weiß, dass Sport und vegane Ernährung ausgezeichnet zusammenpassen. Eine vegane Ernährung ist förderlich für die sportliche Leistungssteigerung. Die Sportwissenschaftlerin Dr. Katharina Wirnitzer arbeitet gerade an einer Fallstudie, die die Zusammenhänge von Ausdauersport und pflanzlicher Ernährung näher beleuchtet.
Auf was muss ich denn im Besonderen achten, wenn ich sportlich aktiv bin und mich gleichzeitig vegan ernähren möchte?
Das hängt davon ab, ob man Leistungssport betreibt oder eher als Freizeitsportler aktiv ist. Eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsversorgung sind natürlich in jedem Fall wichtig. Freizeitsportler brauchen auf nichts weiter zu achten. Leistungssportler haben einen höheren Nährstoffbedarf und sollten ihren Ernährungsplan dementsprechend erstellen. Eine allgemeingültige Aussage ist an dieser Stelle nicht sinnvoll. Hier spielen die Sportart und viele andere Faktoren wie Alter, Geschlecht und die Trainingsintensität eine große Rolle.
Gibt es berühmte vegan lebende Sportler, die zeigen „Sport und pflanzliche Ernährung – das passt gut zusammen“?
Die meisten kennen sicher den Kraftsportler Patrik Baboumian. Außerdem fallen mir ein: der Radrennfahrer Ben Urbanke, Rugby-Nationalspielerin Johanna Jahnke oder Fußballer Timo Hildebrand. Die Aufzählung ließe sich noch um einige weiterführen. Vegane Ernährung im Sport ist mittlerweile keine Seltenheit mehr und viele Sportler und Sportlerinnen äußern sich ganz offen dazu. Durch ihre Vorbildfunktion können sie viele andere Sportler und Nicht-Sportler inspirieren und zum Mitmachen anregen. Auf der VEBU-Homepage findet man eine Auflistung veganer und vegetarischer Sportler.
Das Thema „Kleidung“ spielt auch beim Sport eine immer größere Rolle. Können in Sportklamotten auch tierische Produkte verarbeitet sein?
In vielen Kleidungsstücken sind tierische Bestandteile enthalten. Da reicht es nicht auf tierische Materialien wie Leder oder Wolle zu verzichten. Textilfarben, Klebstoffe und Kleinteile an Kleidungsstücken enthalten oftmals tierische Inhaltsstoffe. Da sollte man genau hinschauen und am besten auf vegane Modelabel setzen. Mein Lieblingskleidungsstück beim Sport ist mein Vegan-Runners-Shirt.
Was ist dein Tipp für eine vegane Erfrischung, die nach dem Sport wieder Leben in den ausgepowerten Körper bringt?
Nach dem Training empfiehlt es sich, Proteine gemeinsam mit Kohlenhydraten aufzunehmen, zum Beispiel Vollkornnudeln mit Tofu-Bolognese. Durch das Schwitzen beim Training scheidet der Körper Wasser und Mineralstoffe aus. Die müssen dann natürlich wieder zugeführt werden. Viel trinken ist also wichtig. Ich mixe mir nach dem Sport auch gern einen Smoothie. Der schmeckt lecker und füllt die Batterien wieder auf. Bei den Zutaten hat man so unglaublich viele Möglichkeiten. Ich experimentiere gern und probiere immer wieder neue Kombinationen aus.
6. Juni 2016 um 20:16 Uhr
Ich selbst bin veganer Ultraläufer. Dennoch würde ich nie behaupten, dass die vegane Ernährung dazu beiträgt, dass ich schneller bin.
Vegane Stars wie Scott Jurek (Ultraläufer) oder Brendan Brazier (Triathlon) behaupten das zwar auch, doch insbesondere bei Brazier halte ich es für eine Marketing-Masche, da er darüber seine eigenen Produkte verkauft. Die Gleichung vegane Ernährung = Leistungssteigerung ist da so etwas wie eine Altersvorsorge. Da man mit sich selbst keine Doppelblindprobe machen kann, kann man also viel behaupten.
Ich frage mich außerdem, wie bei einer wissenschaftlichen Studie, die ihr Salz wert ist, genug vegane Probanden zusammenkommen sollen. Außerdem müssten alle anderen Faktoren, die leistungssteigernd oder -mindernd wirken können, kontrolliert werden – was bei der Vielzahl von Variablen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Letzten Endes beruhen sämtliche derartige Behauptungen auf Anekdoten. Diese beweisen gar nichts.
Kritisch an der veganen Ernährung im Langstrecken-Ausdauersport finde ich die Kohlehydrat-Lastigkeit. Egal wie ich es anstelle, die Carb-Speicher im menschlichen Körper reichen für 2-3 Stunden maximal. Für einen schnellen Marathonläufer also gerade so ausreichend, für längere Laufzeiten und -strecken muss ich dem Körper beibringen, Fett zu verbrennen, wenn ich nicht als DNF enden will. Selbst beim schlanksten Läufer reichen die Fettreserven für Stunden und Stunden.
Bei einer veganen Ernährung als Langstreckensportler muss ich also unbedingt darauf achten, genug hochwertige Fette im Verhältnis zu den Kohlehydraten zu sich nehmen – was eine Herausforderung ist. Protein ist nicht der Engpass, auch Eisen nicht – außer bei Frauen, wenn diese insgesamt zu wenig Kalorien zu sich nehmen.
Das bedeutet: Bei der allgemein propagierten Kohlehydratmast (Pasta-Party usw.) im Langstreckenlauf, trimme ich den Körper darauf, seine knappen Ressourcen zu verbrennen, anstatt an die endlosen Fettreserven zu gehen. Ein hochwertiges Fett, gerade für den Langstreckenbereich, ist z. B. Kokosöl.
Ein Wort noch zu Sport-Drinks: Die meisten handelsüblichen und bei Läufen gereichten Produkte enthalten Molke (whey) – also ein Abfallprodukt der Milchproduktion. Man kommt also nicht daran vorbei, sich seine Getränke selbst zu mischen oder die Vega-Produkte von Brendan Brazier zu kaufen – oder alle Fünfe gerade sein zu lassen.
Ich ernähre mich vegan aus allgemein-gesundheitlichen Gründen, aus Gründen des Tier- und Umweltschutzes. Das allein reicht mir aus. Daher brauche ich die Behauptung nicht, die vegane Ernährung mache mich schneller. Dafür sind die Erfolgsfaktoren im Ultralauf und viel zu komplex.